Zum Fall Weilburg: Warum wir nicht mit der AfD reden

Oder: Warum es nicht mit den Grundsätzen von FFF vereinbar ist, die AfD zu einem Interview einzuladen

Es ist nicht das erste Mal, dass eine for-Future-Ortsgruppe die AfD zu einer Veranstaltung einlädt. Dennoch besitzt der Fall der OG Weilburg einen gewissen Präzedenzcharakter, da sie nach öffentlicher Kritik ein Youtube-Video [1] veröffentlichten, in dem sie ihre Entscheidung verteidigten und gleichzeitig versuchten, die Bitte anderer Ortsgruppen, um eine Absage des Interviews, als undemokratisch darzustellen. Das Statement wurde am Freitag, den 12. Februar, live auf Youtube gestreamt und war bis zum Nachmittag des Folgetags verfügbar. Bis dahin erhielt es verglichen mit anderen Videos des gleichen Formats große Aufmerksamkeit (über 1500 views) und wurde in einem kurzen Artikel von „Welt online“ aufgegriffen. Der Podcast-Termin mit der AfD wurde mittlerweile abgesagt. Das Statement-Video wurde Stand heute Nachmittag (14.02.) vorläufig wieder online gestellt.

Bei dem Interview-Format handelt es sich um eine „kLiMa-Talk“ getaufte Video-Podcast-Reihe, die live auf Youtube gestreamed wird. Die Vertreter:innen der Parteien beantworten darin Fragen zur Verkehrswende, Umbau auf erneuerbare Energien und Digitalisierung. Anlass sind die am 14. März 2021 stattfindenden hessischen Kommunalwahlen. Nach Aussagen in dem Statement, ist das Ziel des Podcasts, Informationsarbeit zu leisten und einen kritischen Überblick über die Klimaschutzziele der Parteien zu geben. Dazu sprach man eine Einladung an ALLE zur Wahl stehenden Parteien für die Podcastreihe aus, wodurch die OG auch VertreterInnen der AfD ihre Plattform anbot. Interessant ist, dass die OG in ihrem Statement-Video „Faschist:innen“ als Synonym für AfD-Politiker:innen verwendete.  Laut Statement der OG stellten SPD, Grüne und Linke die Bedingung für ihre Teilnahme, dass die AfD nicht zur Podcastreihe eingeladen wird. Letztendlich sagten die Vertreter:innen der Parteien auch ab, um sich klar von der AfD zu distanzieren. Ein Statement der SPD-Politikerin ist öffentlich als Kommentar unter einem Instagrampost der OG Weilburg zu finden. Die Distanzierung der drei Parteien begrüßen wir ausdrücklich.
Die OG Weilburg befindet sich dabei im westhessischen Landkreis „Limburg-Weilburg“, der ca. 170‘000 EinwohnerInnen hat [2].

Da wir den Fall auch als Chance begreifen, Grundsätze antifaschistischer Arbeit anschaulich zu erläutern, gehen wir in diesem Statement verhältnismäßig ausführlich auf die Argumentation der Ortsgruppe ein. Als Rechtfertigung für den Erhalt der Einladung der AfD bezogen sich die VertreterInnen der Ortsgruppe in ihrem Statement wiederholt auf drei Kernaussagen:

1. Mit der Nicht-Einladung der AfD würde man die Partei in inaktzeptablen Umfang gegenüber anderen Parteien diskriminieren. Dabei berufen sie sich u.a. darauf, dass sie ihre Arbeit als journalistisch/informativ verstehen.

2. Auch wenn sie FFF als Klimagerechtigkeitsbewegung verstehen, sei ein Bezug auf Klimagerechtigkeit zu ihrem Podcast nicht gegeben bzw. nicht notwendig. U.a. argumentierten sie dabei mit der kommunalen Begrenzung des Themas.

3. Das kliMa-Talk Format gebe der AfD keine Plattform für ihre Hetze. Wenn überhaupt würde die Einladung zu dem Podcast das „Opfer-Narrativ“ der AfD schwächen.

Kernaussagen des Statements „Warum wir auch die AfD einladen …“ von Fridays for Future Weilburg [1]

In der ersten Aussage beruft sich die OG vor allem auf die Grundwerte, die, in Form der Meinungsfreiheit, sowie dem Schutz vor politischer Diskriminierung, im Grundgesetz festgeschrieben sind. Eine Nicht-Einladung der AfD entspricht aber keinem Bruch dieser Grundwerte, da diese unabhängig von einem Ausschluss aus diesem Interview gegeben und geschützt sind. Darüber hinaus schränkt es nicht die Rechte einzelner Personen ein, welche von den erwähnten Paragrafen behandelt werden. Zudem widersprechen wir der Einschätzung, dass unsere Bewegung journalistische Arbeit leiste, weshalb wir auch nicht an die in diesem Feld gebotene Neutraliät gebunden sind.

Die for Future-Familie stellt eine aktivistische Bewegung dar und ist damit nicht nur nicht neutral, unseren Aktionen liegt deshalb auch immer eine politische Natur zugrunde, welche auf unserem Selbstverständnis und dem darin bekundeten Engagement zur Klimagerechtigkeit basiert. Aus diesem Grund ist es auch fraglich, warum Aspekte der Klimagerechtigkeit nicht auch auf die Umsetzung von Klima- und Umweltschutz im Bezugsgebiet der OG Weilburg Einfluss haben, da diese – per Definition einer Klimagerechtigkeitsbewegung – sämtliche unserer Handlungen durchdringen sollten.

Im Allgemeinen bedeutet der Versuch, in einem solchen Kontext neutral zu bleiben, sog. platforming zu betreiben [3], was dem Argument, damit das Opfer-Narrativ der AfD zu durchbrechen, entgegensteht. Das Ignorieren der zahlreichen Fehltritte führender AfD-Politiker:innen, wie etwa Forderungen von Waffengewalt gegen Flüchtlinge [4] oder konstanter Geschichtsrevisionismus [5], und ihrem unbestreitbaren Bezug zu rechtsextremer Ideologie kommt jedoch einer offensichtliche Gleichgültigkeit gegenüber vieler unserer Grundsätze gleich. Das Bestreben, thematisch davon abgegrenzte Punkte zu besprechen und derartige Äußerungen im Zweifelsfall zu verhindert, ändert dabei nichts am Ermächtigen der Quelle jener intoleranten Positionen zu einem geachteten Element im öffentlichen Diskurs – etwas, das sie nicht ist.

Wir begrüßen, dass die Einladung der AfD mittlerweile zurückgezogen wurden, finden es aber sehr bedauerlich welches Ausmaß an öffentlichem Druck für diesen Akt, der für uns das absolute Minimum darstellt, nötig war und empfinden die Beschränkung der (klaren) öffentlichen Distanzierung, auf lediglich die NPD [6], als zutiefst problematisch. Die jetzt angekündigte Aufarbeitung muss nun auch öffentlich und transparent gemacht werden, um in Zukunft die OG sowie die gesamte Bewegung für dieses Thema zu sensibilisieren, sodass solche Vorfälle im Vorhinein verhindert werden.

Kein Fuß breit den Faschist:innen.

Students for Future Germany

Referenzen:

[1] Video „Warum wir auch die AfD einladen…“ von Fridays for Future Weilburg 
https://www.youtube.com/watch?v=bzm57ap3Prk
(Backup: https://web.archive.org/web/20210212191406if_/https://www.youtube.com/watch?v=bzm57ap3Prk)
[2] Wahlkreis „Limburg-Weilburg“ https://www.landkreis-limburg-weilburg.de/leben-im-landkreis/zahlen-fakten
[3] Plattforming https://thelinknewspaper.ca/article/what-is-no-platforming-and-why-do-we-need-to-do-it/
[4] Storch „Auf Kinder schiessen“ https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-berliner-afd-chefin-notfalls-auf-kinder-schiessen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160131-99-367782
[5] Gauland „Vogelschiss“ https://www.tagesspiegel.de/politik/nationalsozialismus-als-vogelschiss-warum-gauland-und-die-afd-geschichte-umschreiben-wollen/22637554.html
[6] Tweet mit Ausladung der AfD https://twitter.com/fff_weilburg/status/1360601378318655489
(Backup: https://archive.is/wip/i8h4D)